Wandel
Auf
meinem täglichen Gang zur Arbeit fiel es mir plötzlich auf. Es
wirkte so staubig, die spitzenverzierten Gardinen so alt und
verbraucht. Früher waren sie wohl einmal sehr schön gewesen. Aber
die Blumen wirkten noch frisch und lebendig. Aus den Augenwinkeln
sah ich noch, wie eine fleckige, rotgeäderte Hand eine kleine
Messingkanne bewegte.
Von
da an warf ich öfter einen Blick zur Seite, wenn ich vorbeieilte, um
den Bus zur Arbeit zu erreichen. Eines Morgens ließen auch die
Blumen ihre Blätter hängen, die Blüten vertrockneten. Tausend
Gedanken schossen mir durch den Kopf, hundert Möglichkeiten. Zehn
Gründe, nichts zu tun.
Ab
dem nächsten Tag hatte ich Urlaub. Ich wollte nicht wegfahren, hatte
nichts geplant, nahm mir aber vor, nach dem Fenster zu schauen; doch
ich verschob es von Mal zu Mal. Und hatte ein immer schlechteres
Gewissen mir gegenüber. Drei Wochen später war es soweit.
Arbeitsbeginn. Ich war nicht einmal dort gewesen, doch jetzt ging ich
früher los. Am Fenster blieb ich wie angewurzelt stehen. Nichts
interessierte mehr. Das Fenster war leer. Immer noch staubig und
verdreckt, leer. Keine Gardinen mehr, keine Blumen. Ich trat näher
heran, versuchte einen Blick ins Innere zu erhaschen. Die
Blümchentapete war vergilbt, helle Flecken, wo Schränke gestanden
hatten. Ich war bedrückt, beschämt, hatte das Gefühl, zu spät
gekommen zu sein. Auf der Arbeit sehr unkonzentriert. Eine Zeitlang
hastete ich, ja rannte nur so am Fenster vorbei, um nicht die
Einsamkeit zu sehen.
Bis
wieder mal etwas meinen Schritt stocken ließ. Das Fenster war
geputzt. Lustige Windowcolor zierten das Glas. Ein nachtblaues Rollo
war heruntergezogen, gelbe Sterne glitzerten in der Morgensonne. Ich
blieb wie angewurzelt stehen. Der Bus zur Arbeit war uninteressant.
Eine schmale, junge Hand zog die Jalousien hoch, gab den Blick frei
auf eine Babywiege, ein Mobile, hellgelbe Tapeten. Ich lächelte. Ich
sang. Das Leben ging weiter. Alles war gut.
18.06.2003
Hallo Anja. Ich bin durch einen Kommentar zum Gdl Streik auf Instagram hierhergestoßen (kurzum furchtbar zufällig).
AntwortenLöschenIch habe mir alle deine Beiträge durchgelesen und sie berühren mich. lade doch mal wieder etwas hoch. Ich würde mich sehr darüber freuen. Und ich habe vor allem das Gefühl (ohne dich zu kennen, es ist nur ein Gefühl), dass es dir gut tun würde.
Ich hoffe, dass es dir gut geht und wünsche dir das Beste. Du warst, bist und wirst nicht allein sein.
Galigrü :)